"Den Skandal wachhalten"

Verleihung des Preises für die Freiheit und Zukunft der Medien an die türkische Autorin Asli Erdoğan und den deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel

Leipzig, der 6. Oktober 2017. Mit dem Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien ehrte die Medienstiftung der Sparkasse Leipzig am Abend des 6. Oktober 2017 die türkische Autorin und Journalistin Asli Erdoğan und den deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel. Der Preis wird jährlich an Journalisten, Medienschaffende und Institutionen verliehen, die sich mit besonderem Mut und großem Engagement für die Pressefreiheit einsetzen. Er ist mit 30.000 Euro dotiert. Asli Erdoğan nahm den Preis persönlich entgegen, Deniz Yücel konnte aufgrund seiner Inhaftierung in der Türkei nicht an der Preisverleihung teilnehmen. Stellvertretend für ihn nahm seine Schwester Ilkay Yücel den Preis entgegen.

“Wir senden von hier aus ein starkes Zeichen der Solidarität mit Deniz Yücel und allen weiteren Journalistinnen und Journalisten, die derzeit in der Türkei und anderswo unter staatlichen Repressionen leiden”, erklärte Dr. Harald Langenfeld, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Leipzig und der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig, während der Preisverleihung. In der Türkei sei die Meinungs- und Pressefreiheit massiv bedroht: “Und das in einem Land, dem wir uns eng, herzlich und auch emotional verbunden fühlen, dessen Geschichte und Kultur viele Berührungspunkte und auch Gemeinsamkeiten mit uns haben, in dem viele Menschen ihre Hoffnung auf Europa und den freien Austausch von Ideen und Meinungen setzen”, so Langenfeld.

Auch Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung, Vorsitzender des Stiftungsrats der Medienstiftung, verdeutlichte die Sorge, die die Entwicklung in der Türkei bereitet: “Die Gefängnisse sind voller denn je. Die Journalisten, die, aus rational kaum nachvollziehbaren Gründen entlassen werden, sind vom Berufsverbot bedroht. Die Presse- und Medienfreiheit ist in der Türkei nicht nur aufs Äußerste bedroht, sie ist quasi suspendiert.“ Die Preisvergabe sei ein Instrument zum Schutz von unabhängigen Journalisten: „Wir wollen den Skandal wachhalten, dass ein deutsch-türkischer Journalist schon beinahe ein Jahr in Einzelhaft sitzt, schlicht, weil er seine Arbeit getan hat.” Auch Preisträgerin Asli Erdoğan habe als Schriftstellerin und Journalistin “Mut zur Wahrheit” gezeigt. An diese gerichtet, sagte Jung: “Sie beweisen: Das freie Wort ist kein eingeschmuggeltes westliches Kulturgut. Es ist ein planetares Grundrecht freier Menschen, unabhängig von Kultur, Religion oder Geldbeutel.”

Stephan Seeger, Geschäftsführender Vorstand der Medienstiftung und Direktor Stiftungen der Sparkasse Leipzig, verwies darauf, dass die Preis-Jury nach Ahmed Altan (2009), Nedim Şener (2015) sowie Can Dündar und Erdem Gül (2016) erneut Preisträger mit einem engen Türkeibezug gewählt habe. “Wir beobachten die Situation in der Türkei genau. Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seine Regierung werden die Forderung nach einer Rückkehr zur Pressefreiheit und nach Freilassung willkürlich verhafteter Journalisten ebenso wenig loswerden wie die Verantwortung für ihr politisches Handeln, für das sie eines Tages werden Rechenschaft ablegen müssen”, so Seeger.

Medienpreisträgerin Asli Erdoğan bedankte sich für die ihr entgegengebrachte Solidarität: “Im Gefängnis habe ich durch die Unterstützung aus Europa meine Kraft erhalten.” Auf die politische Situation in der Türkei angesprochen, erklärte sie während der Pressekonferenz zur Preisverleihung: “Ich habe aufgehört, hinter dem Verhalten des türkischen Staates eine Logik zu suchen.” Europa müsse es der Türkei unmöglich machen so zu tun, als wäre es ein demokratisches Land: “Meine Erwartung an Europa ist, dass es die Werte, die hier entwickelt wurden – Demokratie, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit – gegen alle Repressionen und auch für sich selbst verteidigt”, so Erdogan gegenüber Journalisten.

Deniz Yücels Schwester Ilkay überbrachte die Dankesworte zur Verleihung des Preises für die Freiheit und Zukunft der Medien, die Yücel am 22. September 2017, nach 221 Tagen Haft im türkischen Gefängnis, verfasst hatte: “Ganz gleich, wie lange sich das hier noch hinzieht, und ganz gleich, welche Phantasieerzeugnisse die Staatsanwaltschaft irgendwann in etwas niederschreiben wird, das sie sich ‘Anklageschrift’ zu nennen trauen wird – ich weiß, warum ich hier bin: Nicht nur, weil ich meinen Beruf als Journalist ausgeübt habe. Sondern, weil ich meine, mir einbilden zu können, dass ich meine Sache recht ordentlich gemacht habe.” Er werte seine “Gefangennahme als Auszeichnung, wenngleich als eine, auf die ich lieber verzichtet hätte.” Der Leipziger Preis sei ihm im Gefängnis ein wichtiges Symbol gewesen: “Natürlich danke ich Ihnen herzlich dafür, dass Sie Ihren Beitrag dazu leisten, dass ich nicht in dieser Symphonie aus Stahl, Beton und Draht vergessen werde.”

In der Leipziger Rede zur Medien- und Pressefreiheit im Rahmen der Preisverleihung unterstrich Werner Schulz, von 1990 bis 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages und von 2009 bis 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments, den Wert der freien Meinungsäußerung.


Preisträger:
2017 - Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien
2017 - Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien