Dahin gehen, wo es weh tut

Khadija Ismayilova und Benjamin Best werden mit dem „Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien“ 2020 ausgezeichnet

Leipzig, der 25. Juni 2020. Die aserbaidschanische Investigativ-Journalistin Khadija Ismayilova und der deutsche Journalist und Filmemacher Benjamin Best werden in diesem Jahr mit dem "Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien" der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig ausgezeichnet. Das Preisgeld beträgt jeweils 10.000 Euro. Der Preis wird an Medienschaffende verliehen, die sich in besonders herausragender Art und Weise und häufig unter Gefahr für das eigene Wohlergehen um die Medienfreiheit und eine unabhängige Berichterstattung bemühen.

"Seit Jahren gehört Aserbaidschan zu den Ländern weltweit, in denen die Pressefreiheit am stärksten bedroht ist. Unter diesen Bedingungen arbeitet Khadija Ismayilova als international bekannte und einflussreiche Investigativ-Journalistin. Korruption und Vetternwirtschaft in ihrem Heimatland sind ihre Themen, weswegen sie zahlreichen Anfeindungen ausgesetzt ist. Als eine der Beschwerdeführer vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Abhörpraxis des Bundesnachrichtendienstes im Ausland zeigte sie jüngst, dass auch wir in Deutschland zur Pressefreiheit weltweit unsere Beiträge leisten können. Deshalb erhält sie in diesem Jahr unseren Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien", so Stephan Seeger, Geschäftsführender Vorstand der Medienstiftung zur Entscheidung der Jury.

"Benjamin Best ist einer der herausragenden Kräfte des deutschen Sportjournalismus, dessen Arbeiten weltweit ausstrahlen. Mit gleichermaßen wirtschaftlichem wie sportlichem Sachverstand schaut er gewissenhaft und tiefgründig hinter die glitzernden Kulissen der globalen Sportwelt, etwa auf das Thema Wettbetrug und auf Menschenrechtsverletzungen im Umfeld großer Sportereignisse. In der Sportreportersprache würde man sagen: Best geht dorthin, wo es wehtut. Das macht ihn in größtem Maße preiswürdig", so Seeger weiter.

Die Verleihung des "Preises für die Freiheit und Zukunft der Medien" findet in der Regel am 8. Oktober in Leipzig statt - am Vorabend des Jahrestages der nicht nur für Leipzig entscheidenden Demonstrationen gegen das DDR-Regime am 9. Oktober 1989. In welcher Form die Preisverleihung in diesem Jahr stattfinden kann, wird rechtzeitig bekanntgegeben.

Über die Preisträger

Khadija Ismayilova (Jahrgang 1976) ist studierte Philologin und arbeitete zunächst für eine Reihe lokaler und ausländischer Medien in Aserbaidschan. Bis 2017 war sie als Radio-Moderatorin für den aserbaidschanischen Dienst von Radio Free Europe (RFE), dessen Büro in Baku 2015 geschlossen wurde, tätig. Seit 2017 arbeitet sie als regionale Redakteurin für das Journalistennetzwerk "Organized Crime and Corruption Reporting Project". Seit mehr als einem Jahrzehnt arbeitet Ismayilova vor allem zu Korruption und Vetternwirtschaft des in Aserbaidschan herrschenden Alijew-Clans, beispielsweise die Eigentümerschaft der minderjährigen Präsidententochter an der Fluglinie Azerbaijan Airlines. Mindestens seit 2012 versucht das Regime mit unterschiedlichen Methoden, Ismayilova zum Schweigen zu bringen: neue Gesetze, Schmutzkampagnen, Verhaftungen und Gerichtsprozesse. 2014 führt der Leiter der Präsidialverwaltung Ismayilova als "bestes Beispiel für Journalisten, die gegen die Regierung arbeiten" an. Im September 2015, wurde Ismayilova schließlich wegen "Steuerhinterziehung und Machtmissbrauch" zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. Nach internationaler Kritik wurde sie 2016 entlassen und ihre Strafe in dreieinhalb Jahre auf Bewährung umgewandelt. Gegängelt wird Ismayilova weiterhin: 2017 wurde eine Ausreisesperre gegen sie erlassen, die noch immer gültig ist. Dies verhinderte unter anderem die Entgegennahme des Right Livelihood Award (Alternativer Nobelpreis), den sie 2017 erhielt.

Gemeinsam mit anderen ausländischen Journalisten führte Ismayilova vor dem Bundesverfassungsgericht Beschwerde gegen die Praxis der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes. Das Gericht stellte am 19. Mai 2020 fest, dass die gesetzliche Regelung zur "strategischen Überwachung" der Telekommunikation und darüber hinaus die Weitergabe von erlangten Informationen an in- und ausländische Dienste nicht dem Grundgesetz entspricht und neu gefasst werden muss.

Benjamin Best (Jahrgang 1976) ist ein deutscher Journalist, Filmregisseur und Buchautor. Er studierte bis 2003 an der Humboldt-Universität Berlin Jura, Englisch und Sportwissenschaft sowie im Anschluss Sportpublizistik an der Deutschen Sporthochschule Köln. Seit 2005 arbeitet er überwiegend für den WDR als freier Journalist, insbesondere für die Fernsehsendung "WDR Sport inside" und die Sportschau (ARD). Seit 2007 beschäftigt er sich mit Wettmanipulation im Sport, 2011 wurde er für die Reportage "Tor, Sieg, Betrug - Wettmanipulationen im Sport" als "CNN Journalist of the Year" ausgezeichnet. 2013 erschien sein Sachbuch "Der gekaufte Fussball - Manipulierte Spiele und betrogene Fans". Mit "Dirty Games" legte Benjamin Best 2016 einen Kino-Dokumentarfilm zu Menschenrechtsverletzungen im Umfeld großer Sportereignisse, insbesondere den Fußball-Weltmeisterschaften 2014 in Brasilien und 2022 in Katar, vor. "Dirty Games" wurde u. a. in den Kategorien "beste Regie" und "bester ausländischer Film" bei den "Hollywood International Independent Documentary Awards" sowie mit der "Silber World Medal" des "New York Festivals" 2016 ausgezeichnet.

Die problematische Arbeits- und Lebenssituation der Gastarbeiter auf den Baustellen der WM-Stadien in Katar beschäftigt Best weiterhin: 2019 veröffentlichte er seinen neuen Dokumentarfilm "Gefangen in Katar", für Ende 2020 hat Best bereits eine weitere Reportage zum Thema angekündigt. Für "Gefangen in Katar" wurde Benjamin Best 2019 mit dem Georg von Holtzbrinck Preis für Wirtschaftspublizistik ausgezeichnet und durch das "Medium Magazin" zum "Sportjournalisten des Jahres" ernannt: Der Beitrag Bests sei "ohne Zweifel die beste Rechercheleistung im Sport 2019".

Über den Leipziger Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien:

Mit dem "Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien" ehrt die Medienstiftung der Sparkasse Leipzig seit 2001 jährlich Journalisten, Verleger und Institutionen, die sich mit hohem persönlichem Einsatz für die Freiheit und Zukunft der Medien engagieren. Der Preis soll auch die Erinnerung an die friedliche Revolution in Leipzig am 9. Oktober 1989 wachhalten: Damals forderten die Demonstranten "eine freie Presse für ein freies Land".

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Preisträger:
2020 - Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien
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