Der am 29. Juni 1932 im thüringischen Saalfeld als Richard Wolf geborene Ror Wolf war ebenso Spezialist wie Universalist, der sich nicht auf eine Disziplin beschränken lässt: Er schrieb Literatur, collagierte Bilder, verfasste und montierte Hörspiele. "Im Grunde bin ich ein Hörspielautor, der gelegentlich ein Buch schreibt", sagte Wolf über sich selbst. Entsprechend breit präsentiert sich das Werk, das nach dem Verlassen der DDR im August 1953 und einem Studium der Literatur, Soziologie und Philosophie unter anderem bei Adorno und Horkheimer entstanden ist. 1958 erschienen erste literarische Veröffentlichungen. Nach einem zweijährigen Engagement als Literaturredakteur beim Hessischen Rundfunk war Ror Wolf seit 1963 als freier Schriftsteller tätig, dessen Romandebüt "Fortsetzung des Berichts" 1964 erschien. 1971 wurde sein erstes Hörspiel "Der Chinese am Fenster" gesendet, das später in die Trilogie "Auf der Suche nach Dr. Q." einfließt. Legendär wurde Ror Wolf durch seine zehn Fußball-O-Ton-Collagen, die zwischen 1972 und 1979 entstanden. 1988 wurde er für seine Hörspielbiografie "Leben und Tod des Kornettisten Bix Beiderbecke aus Nord-Amerika" mit dem "Hörspielpreis der Kriegsblinden" ausgezeichnet, "Raoul Tranchirers Bemerkungen über die Stille" wurde 2007 von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste zum "Hörspiel des Jahres" gekürt.
"Als Liebhaber und Kenner des Jazz war Ror Wolf ein Virtuose der Sprache und verfügte über ein geradezu musikalisches Wortverständnis. Verbunden mit einer von Phantasie überbordenden Auseinandersetzung mit der Realität, bei der durch stets neue Besichtigungsweisen und Darstellungsversuche selbst das Unwahrscheinlichste noch wahrscheinlich ist, machte ihn dies zu einem der faszinierendsten Forschungsreisenden im Gebiet der Töne, Stimmen und Geräusche. Die akustischen Erzählformen, die Ror Wolf hierbei dem Medium Radio in produktiver Auseinandersetzung mit dessen Bedingungen und Möglichkeiten abgewann, wirkten stilbildend auf nachfolgende Generationen und haben in ihrer zeitlosen Modernität bis heute nichts an Lebendigkeit verloren; ihre künstlerische Raffinesse und die Subtilität der Arrangements befeuern den hohen Unterhaltungswert, den jedes einzelne Hörspiel des Autors besitzt - Hörspiele, die sich in der Summe auch als eine Hommage sehen und hören lassen an das Radio als das Medium des künstlerischen Worts", begründete die Jury die Wahl des Preisträgers.
Ror Wolf verstarb am 17. Februar 2020.