"So nah wie möglich am Geschehen sein"

Medienpreisträger diskutieren über Kriegs- und Krisenberichterstattung

Der palästinensische Journalist Daoud Kuttab kritisierte die Berichterstattung des Israel-Palästinenser-Konflikts in den Medien: "Es ist kein religiöser Konflikt. Es ist kein interner Konflikt. Es ist ein nationaler Konflikt zweier Nationen, die sich entscheiden müssen, entweder die Macht zu teilen oder das Land. Das wird oft falsch dargestellt."

Auf dem ersten Leipziger Medienkongress diskutierten die Journalisten Alan Johnston, Seymour Hersh, Susanne Fischer, Renate Flottau und Daoud Kuttab, ob und wie journalistische Berichterstattung aus Krisengebieten verbessert werden muss. Wichtig sei, so viel wie möglich zu recherchieren und so nah wie möglich dran zu sein. darin war sich die Runde - alle samt Träger des "Preises für die Freiheit und Zukunft der Medien" - einig. Dieser Preis ist heute zum zehnten Mal von der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig vergeben worden.

"Es gibt zu wenig Journalisten, die Zeit haben, alle Hintergründe aufzuklären."

Die Preisträger auf dem Podium berichteten aus eigener Erfahrung aus den Krisenherden der Welt. Der amerikanische Journalist Seymour Hersh, Pulitzer Preisträger, informiert US-Medien über Geschehnisse aus dem Irak. Für amerikanische Berichterstatter im Irak sei es sehr schwierig, objektiv zu berichten. "Die Amerikaner haben ihr Vertrauen verspielt. Würden gut ausgebildete irakische Journalisten die Geschehnisse recherchieren, kämen diese leichter an detailliertere Informationen", sagte Hersh.

BBC-Reporter Alan Johnston hielt dagegen: "Das kann nicht funktionieren." Jeder Iraki sehe im westlichen Journalisten einen Kreuzritter, der seine Ansichten durchsetzen will. Jeder westliche Journalist sehe in den irakischen Kollegen einen potentiellen Attentäter. Als Bedrohung sieht Johnston zudem die steigende Nachfrage nach Nachrichten: "Es gibt zu wenig Journalisten, die Zeit haben, alle Hintergründe aufzuklären."

Eingeständnisse wie die von Seymour Hersh und Alan Johnston werden häufiger. Das äußert sich auch in kritischer Literatur über Auslandsjournalismus. An der Situation hat sich nach Einschätzung der Podiumsteilnehmer jedoch noch nichts geändert. Susanne Fischer, Korrespondentin für Spiegel und Süddeutsche Zeitung, sieht Fehler auch bei den Kollegen: "Viele Journalisten sind arrogant. Sie glauben durch eine Woche Aufenthalt in einem ihnen fremden Land den ganzen, jahrelang andauernden Konflikt zu verstehen." Bei derart kurzem Aufenthalt sei ein Journalist abhängig von der Stimme im Land und damit nicht mehr objektiv. Oft kämen westliche Journalisten erst in den Krisenherd, wenn es knallt und raucht. "Wir müssen schon vorher über die Hintergründe berichten", appellierte Susanne Fischer.

Der Spiegel zum Beispiel greift bei Berichten über den Balkan oft auf erfahrene Kollegen wie Renate Flottau zurück. Eigentlich ist die langjährige Spiegel-Korrespondentin bereits im Ruhestand. Doch nach zwanzig Jahren Aufenthalt auf dem Balkan beherrscht die 65-Jährige die Sprache und versteht die Mentalität wie kein anderer. "Ich habe gelernt, so viel wie möglich zu recherchieren und so nah wie möglich an den Geschichten dran zu sein", sagte Flottau über ihr Berufsverständnis.

"Das Publikum will die Wahrheit wissen."

Auch Daoud Kuttab hat diese Erfahrung gesammelt und fordert Journalisten auf, hinter der Wahrheit her zu sein. "Das Publikum will die Wahrheit wissen." Es sei wichtig, seinem Publikum zu zeigen, wer ihm diese Nachrichten bietet. "Dann wissen die Zuschauer, das sind die Nachrichten, so wie ich sie gesehen habe und können sich ihr eigenes Bild machen", sagt Kuttab. Das gelte nicht nur im Israel-Palästina-Konflikt

In der Recherche sieht auch Alan Johnston ein großes Potential für objektive Berichterstattung: "Wenn alle Fakten von allen Seiten zusammengetragen werden, kommt die Wahrheit von ganz allein ans Licht", ist Alan Johnston überzeugt. Niemand dürfe einem etwas vorgeben. "Ich will der erste sein, der etwas berichtet. Ich will der erste sein, der sicher ist, dass das, was er berichtet, wahr ist", sagte Alan Johnston.

Der Leipziger Medienkongress 2010 wird am 9. Oktober fortgesetzt. Schwerpunkte sind dann u. a. aktuelle Muster der Informationsunterdrückung.


Preisträger:
2003 - Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien
2008 - Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien
2008 - Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien
2005 - Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien
2001 - Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien