Ihsane El Kadi wurde 1959 als Sohn eines algerischen Unabhängigkeitsaktivisten im libyschen Tripolis geboren. Während seines Studiums der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Algier war El Kadi in einer linksgerichteten Untergrundbewegung aktiv, die von Gewerkschaftern und Studenten gegründet wurde. 1980 beteiligte er sich am sogenannten "Berberfrühling", was ihm im Folgejahr eine erste Gefängnisstrafe vom acht Monaten einbrachte. Seine journalistische Karriere begann 1982 bei den Staatsmedien. Nach der demokratischen Öffnung des Landes 1988 und der Gründung unabhängiger Medien erlangte El Kadi rasch Bekanntheit innerhalb Algeriens, aber auch in den übrigen Maghreb-Staaten.
Während des algerischen Bürgerkriegs zwischen 1991 und 2002 war El Kadi insbesondere als Chefredakteur der französischsprachigen Zeitung La Tribune (1994-1996) sowie als freischaffender Journalist für verschiedene Medien in Algerien und im Ausland tätig. 2010 gründete er zusammen mit anderen von der Pressezensur bedrohten Journalisten die Online-Zeitung Maghreb Émergent, die sich insbesondere auf Wirtschaftsthemen aus dem Maghreb spezialisierte. 2014 folgte die Gründung des privaten Internetradiosenders Radio M. Diese beiden professionellen Medien, die zu den wenigen unabhängigen Stimmen in Algerien zählten, waren offen für alle Standpunkte - auch für jene, die der Regierung und ihrer Politik sehr kritisch gegenüberstanden. Diese Einstellung blieb auch 2021 und 2022 bestehen, als die Pressefreiheit in Algerien stark eingeschränkt wurde und die Behörden versuchten, den "Hirak", die friedliche Volksbewegung für demokratischen Wandel, zu unterdrücken. Radio M und insbesondere sein Direktor Ihsane El Kadi wurden so zum direkten Ziel repressiver Zensur.
Im April 2021 wurde El Kadi wegen eines politischen Artikels über die "Hirak"-Proteste ohne Haftbefehl unter richterliche Aufsicht gestellt und später zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. In der Nacht des 23. Dezember 2022 wurde El Kadi erneut in seiner Wohnung festgenommen. Am 2. April 2023 wurde er zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, zwei davon auf Bewährung, weil er angeblich für seine Medien "illegale Gelder aus dem Ausland" erhalten habe. Zwei Monate später wurde das Urteil in einem Berufungsverfahren auf sieben Jahre erhöht, wobei erneut zwei davon zur Bewährung ausgesetzt wurden. Am 1. November 2024, dem Jahrestag des Beginns des algerischen Befreiungskrieges, wurde Ihsane El Kadi vom Präsidenten begnadigt. Die Büros von Radio M blieben jedoch versiegelt und seine Nachrichten-Website wurde im Juni 2024 abgeschaltet.
Während El Kadis Inhaftierung hatte die Redaktion von Maghreb Émergent den Betrieb jedoch aufrechterhalten. Seit seiner Freilassung veröffentlicht El Kadi dort wieder eine wöchentliche Wirtschaftskolumne. Im April 2021 zogen die algerischen Behörden Ihsane El Kadis Reisepass ein, den seiner Frau im April 2024.