"Was von der Buchstadt übrig blieb"

Förderpreis Buchwissenschaft 2009 an Mario Gäbler

Der Leipziger Buchwissenschaftler Mario Gäbler hat den "Förderpreis Buchwissenschaft 2009" der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig erhalten. Der Preis, der seit 2004 in Gedenken an Prof. Dr. Dr. Dietrich Kerlen verliehen wird, honoriert die beste buchwissenschaftliche Studienabschlussarbeit.

Junge Absolventinnen und Absolventen aus ganz Deutschland hatten sich um den mit 2.500 Euro dotierten Preis beworben. Gäbler hatte die sechsköpfige Jury mit einer Arbeit über die "Buchstadt Leipzig" - und was von ihr nach 1989 übrigblieb - überzeugt.

Hartwig Hochstein, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Stiftung, überreichte den Preis im Rahmen der Leipziger Buchmesse. Er betonte dabei die fundamentale Bedeutung der buchwissenschaftlichen Forschung und Lehre. Bücher seien trotz der Konkurrenz durch Internet und e-Books sehr vitale Medien, die im Alltagserleben der Menschen fest verankert sind. Buchwissenschaft sei deshalb nicht nur von akademischem, sondern auch von kulturellem und nicht zuletzt wirtschaftlichem Wert.

Dass der Preisträger in diesem Jahr aus Leipzig kommt, freute Hochstein ganz besonders: "Das spricht für die Qualität der buchwissenschaftlichen Ausbildung in Leipzig und für die Quailfikation unseres akademischen Nachwuchses."

Professor Siegfried Lokatis, der die Magisterarbeit Gäblers am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig betreut hatte, nannte die Arbeit in seiner Laudatio ein "Grundlagen- und Standardwerk" für die Erforschung der Abwicklung des "Leselandes DDR". Dabei sei Gäbler keineswegs von Lokalpatriotismus oder gar Ostalgie, sondern von der Sorge um den Buchplatz Leipzig getrieben: "Sich mit der Geschichte der Buchstadt Leipzig zu befassen sollte immer auch bedeuten, gesamtdeutsche Buchgeschichte zu schreiben. Dafür steht die Arbeit Mario Gäblers", sagte Lokatis. Mario Gäbler, der 1980 in Gera geboren wurde und eine Lehre zum Verlagskaufmann absolvierte, arbeitet seit seinem Studienabschluss für den Verlag "Hörbuch Hamburg".

Die Begründung der Jury:

"Die vorliegende Arbeit behandelt ein für das Selbstverständnis der Buchstadt zentrales, schwieriges Thema grundlegend, gründlich, in der Konzeption originell und in der Darstellung virtuos. Obwohl die Sorge um den Buchplatz Leipzig den Ausgangspunkt bildet und das dominante Motiv bleibt, gelingt dem Autor eine distanzierte, nüchterne Analyse.

Die Arbeit ist trotz der zeitlichen Nähe und Aktualität der Ereignisse überlegen im Urteil und kann vom Informationsgehalt her als ein Grundlagen- und Standardwerk bezeichnet werden. Dabei behandelt sie den Topos 'Buchstadt' als ein in öffentlicher Rede verhandeltes Konstrukt und macht aus der Not des noch auf Jahre hinaus problematischen Zugriffs auf die Akten eine Tugend, indem sie Methoden der Kommunikations- und Medienwissenschaft auf die systematische Analyse des publizierten Materials anwendet und so eine außerordentlich reichhaltige Quellenbasis von über 400 Presseartikeln und weiteren Zusatzinformationen systematisch erschließt.

Es erweist sich, dass sich zwar das Schicksal bestimmter Verlage wie Brockhaus, Insel, Kiepenheuer und Reclam großer öffentlicher Aufmerksamkeit erfreute und wie dieses öffentliche Interesse durchaus zu einem relevanten Faktor werden konnte, der die Treuhand bei ihren Privatisierungsmaßnahmen zu einer vorsichtigeren Haltung zwang. Andere Abwicklungsgeschichten erfolgten hingegen praktisch schutzlos bisher im Schatten der öffentlichen Wahrnehmung. So erweist sich die Arbeit als eine Fundgrube.

1989 schwankte die Zahl der Leipziger Verlage je nach Quelle zwischen 32 und 38. Das Schicksal dieser Firmen wird in Einzelfallanalysen behandelt, wobei die Verlage nach den Sparten Musik-, Wissenschafts-, Belletristik- und Sachbuchverlage geordnet erscheinen. Hinzu kommen Spezialunternehmen wie der Räthgloben-Verlag und der Briefmarken-Verlag Schaubek. Mit Hauptsitz in Leipzig existieren noch die Deutsche Zentralbücherei für Blinde, der Musikverlag Friedrich Hofmeister, der St. Benno Verlag, der Verlag für die Frau und die Unternehmen der Seemann-Gruppe mit Edition Leipzig und Koehler & Amelang.

Abgerundet wird die Arbeit sowohl durch einen Ausblick auf die seit 1989 erfolgten Neugründungen, als auch auf die Entwicklung jener Institutionen (Deutsches Buch- und Schriftmuseum, Deutsche Nationalbibliothek, Werkstätten und Museum für Druckkunst, Hochschule für Graphik und Buchkunst, Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur, Gutenberg(berufs)schule, Messe und 'Leipzig liest', Offizin Andersen-Nexö, Sächsisches Staatsarchiv, Zentrum für Bucherhaltung usw.), die nach dem Ende als Verlagsstadt den Charakter Leipzigs als Buchstadt bei angemessener politischer Unterstützung auch weiterhin prägen könnten."

Der Förderpreis Buchwissenschaft:

Der "Förderpreis Buchwissenschaft" wird jährlich vergeben. Er richtet sich an Hoch- und Fachhochschulabsolventen sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im deutschen Sprachgebiet, die sich in Abschluss- und Qualifikationsarbeiten (Diplomarbeit, Magisterarbeit, B.A. oder M.A.-Examen; jedoch keine Dissertationen!) - ohne Einschränkung der Fachdisziplin - mit buchwissenschaftlichen Fragestellungen auseinandergesetzt haben.

Die Arbeit muss unveröffentlicht sein. Buchwissenschaft im weitesten Sinne umfasst die Materialität und Medialität des Buches ebenso wie soziale, ökonomische, kulturelle, rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen der Buchherstellung, -verbreitung und -rezeption in Vergangenheit und Gegenwart. Über die Verleihung entscheidet eine sechsköpfige Jury.

Material:

Magisterarbeit Mario Gäbler - Kurzinhalt (PDF, kb)Pressemitteilung Förderpreis Buchwissenschaft (PDF, 38kb)Mario Gäbler: Pressefoto zum Download (JPG, 520kb)