"Kristalline Klarheit schaffen"

Der Leipziger Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien wurde heute übergeben - ZDF-Intendant Dr. Thomas Bellut mit "Leipziger Rede zur Medien- und Pressefreiheit"

Leipzig, 8. Oktober 2014. Die Medienstiftung der Sparkasse Leipzig hat heute in einer Festveranstaltung zum 14. Mal den "Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien" an Journalisten vergeben, die sich mit Mut und außergewöhnlichem Engagement für die Durchsetzung und den Erhalt der Pressefreiheit eingesetzt haben und weiterhin einsetzen. Preisträger sind die afghanische Journalistin Farida Nekzad sowie gemeinsam die Akteure der Friedlichen Revolution in der ehemaligen DDR Aram Radomski, Siegbert Schefke, Roland Jahn und Christoph Wonneberger.

Am Vorabend des 25. Jahrestages der Friedlichen Revolution betonte Burkhard Jung, Oberbürgermeister der Stadt Leipzig und Vorsitzender des Stiftungsrates der Medienstiftung, die besondere Intention des Leipziger Medienpreises: "Verächter des freien Wortes haben unterschiedliche Namen, Anschriften und Motive. Sie fürchten wenig mehr als das Licht der Öffentlichkeit. Dies ist ein gutes Zeichen, denn es sagt: Das freie Wort besitzt weiterhin Kraft. Dies ist aber auch eine schlechte Botschaft. Sie belegt, wie bedroht dieses kostbarste Gut freier Gesellschaften immer noch ist. Im Angesicht dieser Gefahren kann die wichtigste Aufgabe einer freien Presse nur in einem bestehen: kristalline Klarheit zu schaffen, die Dinge präzise und allgemeinverständlich auszusprechen, stets Ross und Reiter zu benennen. Wer wüsste dies besser als die Leipzigerinnen und Leipziger?"

Dr. Harald Langenfeld, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Leipzig und der Medienstiftung, gratulierte den Preisträgern: "Aram Radomski, Siegbert Schefke, Roland Jahn und Christoph Wonneberger haben mit Mut, mit Klugheit und unter großem persönlichen Risiko den Forderungen der Protestbewegung Publizität verschafft...Als eine der führenden Journalistinnen ihres Heimatlandes Afghanistan zählt Farida Nekzad zu den vielbeachteten Stimmen für Frauenrechte und Pressefreiheit. Auch Morddrohungen, ein Bombenattentat und eine versuchte Entführung haben sie nicht davon abhalten können, ihre journalistische Arbeit fortzusetzen." Zugleich mahnte er im Zeitalter sozialer Netzwerke: "Die immer höhere Geschwindigkeit des Nachrichtenumsatzes, die Konkurrenz zwischen klassischen Medien mit dem unablässigen Nachrichtenstrom der sozialen Netzwerke sowie die neuen technischen Möglichkeiten erleichtern den Manipulateuren der öffentlichen Meinung das Geschäft. Im Kampf um die schnelle Meldung, das schnelle Bild ist journalistische Sorgfalt immer in der Gefahr, unter die Räder zu geraten."

Die Preisträger nahmen die mit insgesamt 30.000 Euro dotierte Auszeichnung in Leipzig entgegen. Farida Nekzad bedankte sich: "In ideeller Hinsicht ist dieser Preis von besonderer Bedeutung, weil nicht nur ich geehrt werde. Ich verstehe diese Auszeichnung auch als Anerkennung aller Journalisten und Frauenrechtlerinnen, die ihre so wichtige Arbeit vor Ort in Afghanistan unter schweren Bedingungen und Gefahren leisten." Roland Jahn sprach von der "Angst der Bevölkerung als Kitt der Diktatur", die durch eine unabhängige Berichterstattung überwunden werden kann. Für Siegbert Schefke ist die wichtigste Botschaft der Friedlichen Revolution, dass man an Veränderungen glauben müsse: "Es ist möglich", sei ein Satz, der in viele Länder der Welt auch heute noch ausstrahle. Martin Wonneberger, dessen Dankesworte von Thomas Mayer, ehemaliger Chefreporter der Leipziger Volkszeitung und Verfasser der Wonneberger-Biografie "Der nicht aufgibt", verlesen wurden, erklärte: "Wer, wie Edward Snowden, mutig das Spiel der Mächtigen offen legt, sollte, gerade hier in diesem Land, verteidigt, geschützt - und vielleicht sogar geehrt werden!" Aram Radomski erklärte, dass er und seine Mitstreiter den Leipziger Medienpreis vor allem stellvertretend für alle Menschen erhielten, die 1989 in Leipzig und andernorts gegen das SED-Regime auf die Straße gegangen waren.

An die Friedliche Revolution vor 25 Jahren erinnerte auch ZDF-Intendant Dr. Thomas Bellut in der diesjährigen "Leipziger Rede zur Medien- und Pressefreiheit" im Rahmen der Preisverleihung: Man müsse bedenken, "an welch seidenem Faden all das hing, was manch einem längst wie selbstverständlich erscheint: dass wir uns heute hier an gleicher Stelle treffen können und offen über Freiheit sprechen dürfen." Freiheit sei "kein persönlicher Freifahrschein, sondern ein öffentliches Gut, das sich in Gemeinsamkeit wechselseitig auslotet." Bellut betonte: "Es gibt keine politische Freiheit ohne die Freiheit der Medien...Als demokratisches Grundrecht ist die Kommunikationsfreiheit bewusst ein liberales Abwehrrecht zum Schutz gegen einen Staatsfunk beziehungsweise gegen staatliche Eingriffe in die Rundfunkfreiheit." Medienfreiheit gebe es jedoch nicht ohne publizistische Verantwortung freier Journalisten: "Wenn es einer öffentlichen Empörungsmaschinerie mit all ihren moralisierenden Hypes und Shitstorms gelingt, selbst den ersten Bürger des Landes zu Fall zu bringen, dann wird die - etwas problematische - These von den Medien als der 'vierten Gewalt' im Staate buchstäblich wahr."

Mit dem "Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien" ehrt die Medienstiftung der Sparkasse Leipzig seit 2001 jährlich Journalisten, Verleger und Institutionen, die sich mit hohem persönlichem Einsatz für die Freiheit und Zukunft der Medien engagieren. Der Preis soll auch die Erinnerung an die friedliche Revolution in Leipzig am 9. Oktober 1989 wach halten: Damals forderten die Demonstranten "eine freie Presse für ein freies Land."

Information zu den Preisträgern:

Die afghanische Journalistin Farida Nekzad gehört zu den renommiertesten Journalisten ihres Heimatlandes. 2002 aus dem Exil in Pakistan und von einem Kurzstudium in Indien in ihr Heimatland zurückgekehrt, war sie zwischen 2004 und 2009 als Nachrichtendirektorin und Chefredakteurin der unabhängigen und größten afghanischen Nachrichtenagentur "Pajhwok News" tätig. Anschließend wurde sie Chefredakteurin der "Wakht News Agency", die sich insbesondere der Berichterstattung über Frauen und Frauenrechte in Afghanistan verschrieben hat. Bis Juni 2014 war sie gewähltes Mitglied und Leiterin der "Media Commission" innerhalb der afghanischen "Independent Election Commission", die im Umfeld der afghanischen Wahlen 2014 eine ausgewogene mediale Präsenz der zur Wahl stehenden Parteien gewährleisten sollte.

Farida Nekzad schulte junge Journalistinnen in Afghanistan und ist darüber hinaus als ehrenamtliches Vorstandsmitglied in der länderübergreifenden Organisation "South Asian Women in Media" aktiv. Ihr Engagement und ihre journalistische Tätigkeit machte sie zu einer vielbeachteten Stimme im Kampf um Frauenrechte und um Pressefreiheit - und in der Vergangenheit zur Zielscheibe von mehrfachen Morddrohungen, einem Bombenattentat und einer versuchten Entführung. Farida Nekzad hält sich zurzeit als Gast der "Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte" in Deutschland auf.

Aram Radomski, Siegbert Schefke, Roland Jahn und Christoph Wonneberger sind Akteure der Friedlichen Revolution 1989 in der ehemaligen DDR sowie der oppositionellen Bewegung in deren Vorfeld. Christoph Wonneberger, zwischen 1977 und 1984 evangelisch-lutherischer Pfarrer in Dresden, ab 1985 in Leipzig, koordinierte seit 1986 die montäglichen Friedensgebete in der Nikolaikirche und wirkte an der Arbeit oppositioneller Arbeitsgruppen aus der Kirche heraus mit. 1989 unterhielt er ein "Demo-Telefon", mit dem westliche Journalisten über die Ereignisse in Leipzig informiert wurden. Am Abend des 9. Oktober 1989 gab Wonneberger in einer Live-Schaltung ein Interview in den "ARD-tagesthemen" und berichtete der Weltöffentlichkeit von der friedlichen Demonstration in Leipzig mit ca. 70.000 Teilnehmern.

Roland Jahn wurde wegen seiner Kritik an der Biermann-Ausbürgerung 1977 von der Uni exmatrikuliert. Er gehörte zu den Mitgründern des "Friedenskreises Jena" und wurde u. a. wegen seines Eintretens für Meinungsfreiheit politisch verfolgt. 1982 wurde er in Untersuchungshaft genommen, verurteilt und nach Protesten im Westen vorzeitig freigelassen. Im Juni 1983 wurde er dann gegen seinen Willen aus der DDR geworfen. Von West-Berlin aus unterstützte er die DDR-Opposition finanziell und logistisch, beispielsweise mit der Beschaffung von Druckmaschinen und Videokameras. Als Journalist produzierte er für die ARD zahlreiche Beiträge zur DDR-Opposition, zur Verletzung der Menschenrechte und zur Umweltverschmutzung und trug damit wesentlich zur Schaffung einer Gegenöffentlichkeit bei. Seit März 2011 ist Roland Jahn Bundesbeauftragter der Stasi-Unterlagen-Behörde.

Siegbert Schefke gehörte zu den Mitbegründern der Berliner "Umwelt-Bibliothek", wo er Aram Radomski kennenlernte. Gemeinsam arbeiteten sie freiberuflich für verschiedene westdeutsche Medien und dokumentierten insbesondere den Verfall historischer Altstädte, die Umweltzerstörung in der DDR sowie die aufkeimende Oppositionsbewegung. Mit einer von Roland Jahn beschafften Kamera filmten sie vom Turm der Reformierten Kirche am "Leipziger Ring" aus die Montagsdemonstration am 9. Oktober 1989. Ihr bedeutsames Material veröffentlichten westdeutsche Medien am 10. Oktober 1989, von wo die Leipziger Demonstrationen in die Welt hinaus-, vor allem aber in die DDR zurückstrahlten. Schefke arbeitet bis heute als Fernsehredakteur beim Mitteldeutschen Rundfunk. Radomski ist Geschäftsführer der Berlintapete GmbH.


Preisträger:
2014 - Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien
2014 - Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien
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