Leipziger Medienpreis an Fahem Boukaddous, Stefan Buchen und Oleg Kaschin verliehen

"Es ist schlimm, wenn Journalisten ihre Grundrechte nicht ausüben können“

"Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien" wird in Leipzig vergeben: Auszeichnung für drei mutige Journalisten - Diskussion über ein künftiges Zentrum für Pressefreiheit

LEIPZIG. Der "Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien" wurde heute (13. Oktober) auf dem Mediencampus Leipzig an die Journalisten Fahem Boukaddous aus Tunesien, Stefan Buchen aus Deutschland und Oleg Kaschin aus Russland verliehen. Der mit insgesamt 30.000 Euro dotierte Preis wurde zum elften Mal durch die Medienstiftung der Sparkasse Leipzig überreicht. Er zeichnet Persönlichkeiten aus, die sich besonders mutig, couragiert und besonnen für die Presse- und Meinungsfreiheit eingesetzt haben. "Viele Journalisten auf der Welt müssen dafür kämpfen, frei und ohne Zensur berichten zu können. Das ist schlimm", sagte Stephan Seeger, Geschäftsführender Vorstand der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig bei der heutigen Pressekonferenz. Viel schlimmer sei jedoch, dass sie dabei nicht nur um ihre Arbeit, sondern oft auch um ihre Gesundheit und ihr Leben fürchten müssten.

Kämpfen für Demokratie
"Die drei diesjährigen Preisträger zeichnen sich dadurch aus, dass sie trotz hoher persönlicher Einschränkungen nicht müde geworden sind, von Demokratiemängeln zu berichten", lobte Stephan Seeger ihre schwierige Arbeit und ergänzte: "Presse- und Meinungsfreiheit sind Grundpfeiler einer Demokratie. Mich beeindruckt immer wieder, wie viele Journalisten tagtäglich den Kampf aufnehmen und sich für die Freiheit der Medien und eine freie Berichterstattung einsetzen."

Ein Beispiel: Oleg Kaschin, der russische Enthüllungsjournalist, wurde im November 2010 vor seiner Wohnung in Moskau überfallen und brutal zusammengeschlagen. Trotz dieses Einschüchterungsversuchs berichtet er weiterhin nicht nur mutig über Unterdrückung in seinem Heimatland, sondern greift auch Sozial- und Umweltthemen auf. Sein wichtigstes Anliegen sei es, wieder normal als Journalist arbeiten und durch die Enthüllung von Missständen etwas bewirken zu können, sagte Oleg Kaschin bei seinem Rundgang durch Leipzig. Beispielhaft stehe für ihn die friedliche Revolution 1989, die zum Ende der DDR führte und ihren Ursprung in Leipzig hatte. Der Preis habe für ihn zwei Bedeutungen: Er sei für Russland ein Anlass, über die Themen nachzudenken, über die er berichte. Und zum anderen hoffe er, dass durch den Preis die Ermittlungen gegen die Täter, die ihn überfallen hätten, forciert werden und sie doch noch dingfest gemacht werden.

Fahem Boukaddous, ebenfalls Preisträger, gilt als eine Symbolfigur der Jasminrevolution in Tunesien in diesem Frühjahr. Bereits Jahre vor dem politischen Umbruch in Tunesien hat der 41 Jahre alte Journalist kritisch über die autokratische Herrschaft von Zine el-Abidine Ben Ali berichtet. Auch er hatte unter den Repressalien und der Unterdrückung des Regimes zu leiden. Fahem Boukaddous meint, er spreche vielen Tunesiern aus dem Herzen, wenn er sage: "Ben Ali hatte nicht ein Journalist umgebracht, sondern die ganze Presse im Land." Umso mehr Anerkennung verdienen nach Meinung der Jury sein Wille und seine Stärke, nach Verurteilung und Haft weiterhin offen Ungerechtigkeiten in seinem Land anzusprechen. Die immer noch schwierige Situation in Tunesien braucht engagierte Demokraten wie Fahem Boukaddous, vor allem jetzt in der aktuellen Umbruchsituation.

Stefan Buchen ist für seine packenden Beiträge aus Krisenregionen bekannt geworden. Für die deutsche Bevölkerung ist er zum Inbegriff authentischer Berichterstattung geworden. Ob Libyen, Afghanistan, Iran oder Irak: Der 42 Jahre alte ARD-Fernsehreporter scheut keine Gefahren, um der Welt zu zeigen, was wirklich geschieht. Seine exzellenten Sprachkenntnisse eröffnen ihm den direkten Zugang zu den Menschen. Ihre Gefühle und Wünsche fließen in seine Berichte ein, was ihn zu einem der besten Auslandsjournalisten Deutschlands macht. "Wir freuen uns sehr, dass die Jury nach vielen Jahren auch wieder einen deutschen Journalisten ausgewählt hat", betonte Stephan Seeger. "Für uns, die in Demokratie leben und eine freie Presse haben, ist es wichtig, die wahren Geschehnisse im Ausland zu erfahren. Stefan Buchen bringt sie uns auf erschütternd reale Weise nahe."

Die Preisträger demonstrieren auf unterschiedliche Weise, wie wichtig es ist, sich für das Recht auf Presse- und Meinungsfreiheit in jedem Land einzusetzen. "Wir verstehen unseren Preis auch als Appell an alle Regierungen, die Pressefreiheit zu achten und zu schützen", sagte Stephan Seeger. Aus diesem Grund veranstaltete die Medienstiftung der Sparkasse Leipzig am Nachmittag eine Podiumsdiskussion zum Thema "Lasst den Preisen Taten folgen - ein Zentrum für die Pressefreiheit." Es wurde geleitet von Hans-Ulrich Jörges, Mitglied der Chefredaktion des Magazins Stern. Er hat bei der Verleihung des Preises für die Freiheit und Zukunft der Medien im vergangenen Jahr ein Zentrum für Pressefreiheit vorgeschlagen. Die Medienstiftung hat diese Idee aufgegriffen und will die Realisierung eines solchen länderübergreifenden Pressezentrums engagiert unterstützen.

Preis als Signal für die Welt
Seit 2001 zeichnet die Medienstiftung der Sparkasse Leipzig Journalisten, Verleger und Medieninstitutionen aus aller Welt aus, die mit Beharrlichkeit und demokratischer Überzeugung für die Sicherung und Entwicklung der Meinungs- und Pressefreiheit eintreten. Der Preis soll auch die Erinnerung an die friedliche Revolution in Leipzig am 8. Oktober 1989 wach halten: Damals forderten die Demonstranten "eine freie Presse für ein freies Land."

Vergabe nach klaren Kriterien
Auch in diesem Jahr wurden die Preisträger nach klar definierten Kriterien ausgewählt. Der Nominierungsprozess wurde im Vorfeld von Dr. Martin Welker, Professor für Journalistik an der Universität Leipzig, und seinem Team begleitet. Die wissenschaftliche Gruppe um Professor Welker prüft die vorgeschlagenen Kandidaten für den Preis anhand eindeutiger Vergabemerkmale.

Die publizistische Leistung der Preisträger
• muss sich auf einen relevanten oder bemerkenswerten Gegenstand von allgemeinem Interesse beziehen,
• ist zugleich auch als ein Beitrag zur Stärkung der Pressefreiheit zu werten - etwa indem Widerstände überwunden wurden,
• brachte für den Publizisten auch persönliche Risiken,
• verlangte einen weit überdurchschnittlichen Einsatz an Zeit und Energie,
• ist von ausgezeichneter journalistisch-handwerklicher Qualität.