Kamingespräch mit Hans Leyendecker

"Ich zahle nichts, ich schütze"

SZ-Journalist Dr. Hans Leyendecker über sein Handwerk als investigativer Journalist

von Katharina Lötzsch


Er sei mit nur einem Politiker befreundet, das aber seit der Sandkasten-Zeit. So erzählt der leitende politische Redakteur der Süddeutschen Zeitung, wohl einer der politischsten Journalisten überhaupt in Deutschland: Hans Leyendecker (53). Er war 18 Jahre SPIEGEL-Redakteur, recherchierte allein oder im Team die Affären um Flick, Waffenhandel, Lothar Späth. "Ich gelte als Enthüllungsjournalist", sagt er beim Kamingespräch in der Villa Ida (14. 11. 2002) im Dialog mit Studenten, Wissenschaftlern und Medienschaffenden der Region. "Aber bin ich nicht ein besserer Staubsaugervertreter?"

Sein Schatz sind seine Informanten, die sagen, was sie nicht sagen dürfen, geben, was sie nicht geben dürfen - acht ruft Leyendecker jeden Tag an, 20 bis 30 hören seltener aber regelmäßig von ihm. Seine Quellen sitzen in Ministerien, Behörden, Unternehmen.

Manchmal sei er Bittsteller, manchmal eben auch "Staubsauger". "Ich zahle nichts für die zugeschobenen Informationen und Unterlagen, ich biete als Gegenleistung rigorosen Informantenschutz", erzählt Hans Leyendecker. Einmal habe er einem Gewährsmann, Sammler von Adenauer-Handschriften, als Dank eine seltene Signatur zum Geburtstag geschickt - das Geschenk ging retour an Leyendecker. "Die Quelle meinte, solche Gefälligkeiten seien zwischen uns nicht möglich. Der hatte recht." Gelernt hat Leyendecker das Handwerk der Recherche nie. Er war vom SPIEGEL wegen seiner Schreibe gekauft worden, sei dann mit dem Schreiben nicht zurecht gekommen und habe sich aufs Recherchieren verlegt. Seinen ersten Scoop hatte der investigative Journalist 1981 mit der Flick-Äffare - "da bin ich aber eher reingeschlittert". Sein Desaster habe er 1993 in der Recherche um Bad Kleinen erlebt. "Ich glaubte, mir passiert nichts, ich sei der Größte. Mir unterliefen viele Fehler. Das einzige, was ich retten konnte, war mein Informant", blickt er zurück.

Der SPIEGEL war seine Heimat und gleichzeitig sein Hamsterrad - er darin eingesperrt. Nun genießt er die Freiheiten der "Autorenzeitung SZ", recherchiert beispielsweise von zuhause aus. Verschmitzt lächelnd kommentiert Leyendecker: "Ich finde es schön, dass bei der SZ alle so nett zueinander sind, obwohl mir das gar nicht liegt." Ob Leyendecker im Zweifelsfall gegen seinen einzigen Politiker-Freund, Bodo Hombach, schreiben würde? "Ich hoffe, dass ich mich, wenn es darauf ankäme, wie ein Journalist verhalten würde. Ich hätte es zumindest als Vertrauensbruch angesehen, wenn er mir vorher von seinen Schweinereien nichts erzählt hätte."