Zur Historie

"Wem’s zu wohl ist, der geht nach Gohlis”, sagt der Volksmund. Damit ist gemeint, dass der nördlich an das Rosental angrenzende Vorort wegen seiner reizvollen Umgebung schon seit Alters her einen Ausflug wert ist. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts war Gohlis ein kleines, nördlich vor den Toren der Messestadt gelegenes Dorf mit 500 Einwohnern und etwa 55 Häusern.

In einem Brief vom 24. April 1785 nach Mannheim schrieb der junge Schiller: “Ich werde auch einige Monate in dem Ort Goliz zubringen, der nur eine viertel Meile von Leipzig entlegen ist, und wohin ein sehr angenehmer Spaziergang durch das Rosental führt. Hier bin ich willens, sehr fleißig zu sein, an dem Karlos und der Thalia zu arbeiten.”

Die heutige Menckestraße, mit Bauernhöfen zu beiden Seiten, bildete den Kern des Dorfes. Dort, wo sich die Straße im östlichen Bereich zur Grünanlage weitet, befand sich einst der Dorfanger. Hier stand bis 1887 ein zweigeschossiges Schulhaus mit einem Betsaal und daneben ein kleines Gemeindehaus, das auch als Gefängnis diente. Das Schulhaus war zugleich das Spritzenhaus und beherbergte schließlich auch den Leichenwagen.

Von dieser dörflichen Idylle ist heute wenig geblieben. Die alte Ortslage Gohlis wurde von der Großstadtentwicklung “überrollt” und schließlich im Jahre 1890 eingemeindet. An einem großen Dorfmodell im Schillerhaus aus dem Jahre 1955 kann man allerdings auch heute noch ein anschauliches Bild von der alten Zeit gewinnen. U. a. erkennt man auch den Bauernhof mit zwei kleinen eingeschossigen Häusern in Giebelstellung zur Straße, die sich vor dem Bau der Villa Ida auf dem Grundstück befanden.

Als sich der Buchdruckereibesitzer Otto Fischer von den Maurermeistern Meißner & Miersch im Jahre 1883 die zweigeschossige Villa in der Menckestraße im Stil des Historismus erbauen ließ, war die Wandlung vom Dorf- zum Stadtbild bereist im vollen Gange. Westlich der Villa Ida hatte Adolf Schütte-Felsche auf dem Areal der beliebten “Wasserschenke” bereits eine Schokoladenfabrik errichtet, womit dieses traditionsreiche Ausflugslokal aufgehört hatte zu existieren.

Die frei stehende, von einem Garten umgebene zweigeschossige Villa Ida ist in historisierender Formensprache erbaut, ohne dass sich der Baumeister mit dem Anspruch akademischer Genauigkeit zu einer bestimmten Stilrezeption bekennt. Die Fensterrahmungen an der Straßen- und Gartenseite entstammen dem Formenrepertoire der italienischen Hochrenaissance, während die Dachausbildung an der Straßenseite eher der alpenländischen Tradition entlehnt zu sein scheint. Das Eingangsportal wird von einem Dreiecksgiebel bekrönt. Darunter ist in einem Rollwerkornament die Widmung des Hauses als “Villa Ida” zu lesen. Durch die zweiflüglige Eichentür in chrakteristischer Neorenaissanceausführung gelangt man in das großzügige Treppenhaus. Hier hat sich die für Leipzig typische hölzerne Treppenanlage erhalten. Die Ausmalung des Sockelbereiches ist nach restauratorischem Befund originalgetreu wieder hergestellt worden. Reste spätklassizistischer Stuckdecken lassen noch etwas vom wilhelminischen Glanz der Innenausstattung erahnen. Der etwas gedrungen wirkende Baukörper vermittelt besonders an der Gartenseite dennoch einen Hauch großzügiger palladinischer Villenarchitektur. An der Straßenfront zur Menckestraße ist der Mittelrisalit durch doppelt gekuppelte Fenster betont, die von einem Dreiecksgiebel überspannt werden, der sich bogenförmig in das Dachgeschoss öffnet. Die mittlere Fensterachse wird im 1. Obergeschoss durch einen Porträtkopf in einem gesprengten Dreiecksgiebel betont. Im Zusammenhang mit der darunter befindlichen Jahresangabe der Erbauung “1883” darf man diese plastische Arbeit wohl als Darstellung Otto Fischers verstehen.

Für die denkmalgerechte Sanierung wurde dem Bauherrn 1996 der “Hieronymus-Lotter-Preis für Denkmalpflege” der Kulturstiftung Leipzig verliehen.

Seit 1879 war Otto Fischer alleiniger Inhaber der Buchdruckerei Fischer & Wittig. C.F. Fischer, der zuvor Faktor in der namhaften Leipziger Buchdruckerei bei Otto Wigand war, und F. Wittig, als Maschinenmeister ebenfalls bei Wigand beschäftigt, hatten die Buchdruckerei am 1. November 1862 in der Dörrienstraße 5 begründet. Später werden Druckhäuser in der Johannisallee 8 und der Teubnerstraße 12 genannt.

In einem Firmenrundschreiben vom Januar 1879 gibt Otto Fischer seinen Kunden “hochachtend ergeben” zur Kenntnis: “Meine Buchdruckerei ist danach eingerichtet, dass ich Aufträge nach jeder Richtung übernehmen und für geschmackvolle, preiswürdige Ausführung einstehen kann. Werke größeren und kleineren Umfanges finden die gleiche Aufmerksamkeit wie Zeitschriften und Accidenzen. Insbesondere glaube ich, die Leistungen meiner Officin im Illsutrations- und Bunt-Druck hervorheben zu können. Ich beschränke mich darauf, in dieser Beziehung nur auf das bei mir gedruckte “Daheim”, die Grote’schen “Illustrierten Klassikerausgaben”, auf “Jugend Spiel und Arbeit” sowie auf “Jugendschriften” für Otto Spamer, K. F. Albrecht etc. hinzuweisen und bin gewiss, dass diese Arbeiten die Konkurrenz mit anderen nicht zu scheuen brauchen.”

Heute ist die Menckestraße vor allem durch Gebäude der Gründerzeit geprägt, wie es für Leipzig als Ganzes besonders charakteristisch ist. Nichtsdestotrotz hat sich das vordere Gohlis ein ganz besonderes städtebauliches Flair bewahrt und ist überreich gesegnet mit kulturgeschichtlichen Besonderheiten.

Im Jahre 1707 hatte August der Starke seinen Architekten Johann Chistoph Naumann einen Plan für ein repräsentatives Lustschloss im Rosental entwerfen lassen. Aber es kam nur zur Anlage der großen Schlosswiese, denn die reiche Leipziger Kaufmannschaft sollte für die Baukosten aufkommen. So hat man den Schlossbau schließlich mit List und Tücke zu verhindern gewusst.

Etwas später, 1755/56, ließ sich der reiche Kaufmann Caspar Richter an Stelle eines älteren Gutes das Gohliser Schlösschen als bürgerlichen Landsitz errichten. Ein Bau, der heute als der Höhepunkt Leipziger Rokokoarchitektur angesehen werden darf und bis zum Jahre 1998 vorbildlich restauriert wurde. Der Festsaal im ersten Obergeschoss ist in frühklassizistischer Manier ausgemalt und mit einem Deckengemälde von Adam Friedrich Oeser versehen, der im Jahre 1764 Gründungsdirektor der Leipziger Zeichenakademie war. Der junge Student der Rechte, Johann Wolfgang von Goethe, nahm bei eben diesem Oeser Zeichenunterricht.

Am Ende der Menckestraße hat sich ein letztes Bauernhaus aus dem Jahre 1717 erhalten. Dass es nicht abgebrochen wurde, verdankt die Menckestaße 42 dem Umstand, dass hier im Sommer 1785 Friedrich Schiller im Haus des Bauern Schneider wohnte. Hier hat Schiller u. a. auch seine berühmte “Ode an die Freude” zu Papier gebracht. In einem Brief an den Juristen und Schriftsteller Christian Gottfried Körner schrieb der junge, bereits durch die “Räuber” berühmt gewordene Dichter am 10. Februar 1785, kurz vor seiner Abreise in die Messestadt aus Mannheim:

“Leipzig erscheint meinen Träumen und Ahndungen wie der rosigte Morgen jenseits den waldigten Hügeln. In meinem Leben erinnere ich mich keiner so innigen prophetischen Gewissheit, wie diese ist, dass ich in Leipzig glücklich sein werde.”

Nachdem 1841 bekannt geworden war, dass es sich bei dem Gebäude um das Schillerhaus handelt, richtete der 1842 von Robert Blum gegründete Schillerverein eine Gedenkstätte ein, die heute zum Stadtgeschichtlichen Museum gehört. Das Schillerhaus dürfte heute das älteste erhaltene Bauernhaus auf dem Leipziger Stadtgebiet sein und ist als solches von unschätzbaren baugeschichtlichem Wert.

Dieses Gohlis verfügt wie kein zweiter Leipziger Vorort über eine einmalig facettenreiche Kulturgeschichte. Berühmte Persönlichkeiten ließen sich fast endlos auflisten, die architektonischen Besonderheiten könnten einen Architekturführer füllen.

Dr. Wolfgang Hocquél, ehemaliger Referatsleiter Denkmalschutz am Regierungspräsidium Leipzig