"Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien" 2025 für Ihsane El Kadi (Algerien) und Prof. Dr. Michael Haller (Deutschland)

Leipzig, der 14. August 2025. Der algerische Journalist Ihsane El Kadi wird in diesem Jahr von der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig mit dem "Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien" ausgezeichnet. Der Preis würdigt Medienschaffende und Institutionen, die mit ihrer Arbeit unter hohem persönlichem Einsatz der Presse- und Meinungsfreiheit dienen. Er wird am 8. Oktober 2025 auf dem Mediencampus Villa Ida in Leipzig, dem Sitz der Medienstiftung, übergeben und ist mit 10.000 Euro dotiert. Mit dem Hamburger Journalismusforscher Prof. Dr. Michael Haller würdigt die Stiftung außerdem erstmals ein Lebenswerk mit dem "Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien" als Ehrenpreis.

Ihsane El Kadi zählt zu den bekanntesten regierungskritischen algerischen Journalisten. "Ihsane El Kadi hat in seiner langen Laufbahn alle Höhen und Tiefen der jüngeren Geschichte seines Landes miterlebt: Vom ersten demokratischen Aufbruch im Oktober 1988 über den grausamen Bürgerkrieg in den 1990er Jahren mit der anschließenden Rückkehr eines autokratischen Regimes bis zum friedlichen Volksaufstand 2019 - dessen Hoffnung auf einen demokratischen Wandel vom Regime brutal unterdrückt wurde", sagt Stephan Seeger, geschäftsführender Vorstand der Medienstiftung. "Über all diese Jahre hat es El Kadi als seine Pflicht angesehen, Zeugnis über diese Geschichte abzulegen, Widerstand gegen die Unterdrückung zu leisten und seine Verantwortung für die Gesellschaft zu erfüllen. Der Kampf für die Pressefreiheit ist ein Weg voller Hindernisse, aber er ist umso wertvoller für den Aufbau einer freien Gesellschaft. Diesen Weg geht Ihsane El Kadi seit Jahren mit aller Konsequenz", so Seeger weiter.

Neben Ihsane El Kadi wird Prof. Dr. Michael Haller am 8. Oktober in Leipzig mit dem "Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien" geehrt. Die Stiftung würdigt mit diesem erstmals in der 25-jährigen Geschichte des Preises verliehenen Ehrenpreis das Lebenswerk Hallers, der von 1993 bis 2010 die Professur für Allgemeine und Spezielle Journalistik am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig innehatte. "Michael Hallers Name steht wie kaum ein anderer für Qualitätsjournalismus, für die beispielgebende Verknüpfung von Theorie und Praxis in der journalistischen Hochschulausbildung, für publizistische Verantwortung und journalistische Ethik. Mit seiner Kompetenz verhalf er der Journalistik an der Universität Leipzig nach der Wende innerhalb kurzer Zeit zu hohem Ansehen in der akademischen Lehre und Forschung über die Grenzen Deutschlands hinaus", begründet Stephan Seeger die Entscheidung der Jury zur Verleihung des Ehrenpreises.

"Auch in seinem 81. Lebensjahr vermittelt Michael Haller mit nicht nachlassender Energie und intellektuellem Scharfsinn die Bedeutung des Qualitätsjournalismus für demokratische Gesellschaften, aktuell vor allem mit Projekten zur Informations- und Medienkompetenz wie dem erfolgreichen 'Fit for news'-Programm. Michael Haller ist unserer Medienstiftung seit mehr als zwei Jahrzehnten eng verbunden, insbesondere mit der 2003 erfolgten Gründung des 'Instituts für praktische Journalismusforschung', das bis heute als gemeinnütziges 'Europäisches Institut für Journalismus- und Kommunikationsforschung' aktiv ist.", so Seeger weiter.

Ihsane El Kadi wurde 1959 als Sohn eines algerischen Unabhängigkeitsaktivisten im libyschen Tripolis geboren. Während seines Studiums der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Algier war El Kadi in einer linksgerichteten Untergrundbewegung aktiv, die von Gewerkschaftern und Studenten gegründet wurde. 1980 beteiligte er sich am sogenannten "Berberfrühling", was ihm im Folgejahr eine erste Gefängnisstrafe vom acht Monaten einbrachte. Seine journalistische Karriere begann 1982 bei den Staatsmedien. Nach der demokratischen Öffnung des Landes 1988 und der Gründung unabhängiger Medien erlangte El Kadi rasch Bekanntheit innerhalb Algeriens, aber auch in den übrigen Maghreb-Staaten.

Während des algerischen Bürgerkriegs zwischen 1991 und 2002 war El Kadi insbesondere als Chefredakteur der französischsprachigen Zeitung La Tribune (1994-1996) sowie als freischaffender Journalist für verschiedene Medien in Algerien und im Ausland tätig. 2010 gründete er zusammen mit anderen von der Pressezensur bedrohten Journalisten die Online-Zeitung Maghreb Émergent, die sich insbesondere auf Wirtschaftsthemen aus dem Maghreb spezialisierte. 2014 folgte die Gründung des privaten Internetradiosenders Radio M. Diese beiden professionellen Medien, die zu den wenigen unabhängigen Stimmen in Algerien zählten, waren offen für alle Standpunkte - auch für jene, die der Regierung und ihrer Politik sehr kritisch gegenüberstanden. Diese Einstellung blieb auch 2021 und 2022 bestehen, als die Pressefreiheit in Algerien stark eingeschränkt wurde und die Behörden versuchten, den "Hirak", die friedliche Volksbewegung für demokratischen Wandel, zu unterdrücken. Radio M und insbesondere sein Direktor Ihsane El Kadi wurden so zum direkten Ziel repressiver Zensur.

Im April 2021 wurde El Kadi wegen eines politischen Artikels über die "Hirak"-Proteste ohne Haftbefehl unter richterliche Aufsicht gestellt und später zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. In der Nacht des 23. Dezember 2022 wurde El Kadi erneut in seiner Wohnung festgenommen. Am 2. April 2023 wurde er zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, zwei davon auf Bewährung, weil er angeblich für seine Medien "illegale Gelder aus dem Ausland" erhalten habe. Zwei Monate später wurde das Urteil in einem Berufungsverfahren auf sieben Jahre erhöht, wobei erneut zwei davon zur Bewährung ausgesetzt wurden. Am 1. November 2024, dem Jahrestag des Beginns des algerischen Befreiungskrieges, wurde Ihsane El Kadi vom Präsidenten begnadigt. Die Büros von Radio M blieben jedoch versiegelt und seine Nachrichten-Website wurde im Juni 2024 abgeschaltet.

Während El Kadis Inhaftierung hatte die Redaktion von Maghreb Émergent den Betrieb jedoch aufrechterhalten. Seit seiner Freilassung veröffentlicht El Kadi dort wieder eine wöchentliche Wirtschaftskolumne. Im April 2021 zogen die algerischen Behörden Ihsane El Kadis Reisepass ein, den seiner Frau im April 2024.

Prof. Dr. Michael Haller, geboren 1945 in Konstanz, studierte Philosophie, Sozial- und Politikwissenschaften in Freiburg und Basel, promovierte zur politischen Philosophie Hegels ("System und Gesellschaft") und sammelte umfangreiche journalistische Erfahrungen als leitender Redakteur in mehreren Regionalzeitungen. Besonders prägend waren seine Stationen beim Spiegel, dessen Redaktion er über zehn Jahre angehörte, sowie der Zeit. Dort leitete er das Ressort "Dossier" während mehrerer Jahre. Daneben lehrte er als Dozent an Hochschulen wie auch an überbetrieblichen Aus- und Fortbildungsbildungsstätten zur Theorie und Praxis des Journalismus.

Anfang 1993 erhielt Haller den Ruf auf die Professur für Allgemeine und Spezielle Journalistik an der Universität Leipzig. Von 1994 bis zu seiner Emeritierung 2010 hatte er den Lehrstuhl Journalistik inne. Seither berät er verschiedene Gremien und Akademien der Journalistenausbildung im In- und Ausland. Von 2012 bis 2016 wirkte Haller an der Hamburg Media School (HMS) als Gesamtleiter Journalismusforschung. Seit 2018 ist er gewähltes Mitglied der Gelehrtengesellschaft Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin. Neben zahlreichen medienwissenschaftlichen Veröffentlichungen zur Funktion des Journalismus in informationsoffenen Gesellschaften war Haller auch Gründungsherausgeber der internationalen Zeitschrift für Journalismus message sowie Herausgeber der Buchreihe Leipziger Journalismus. Als Verfasser mehrerer Lehrbücher hat er grundlegende Standards des praktischen Journalismus geschaffen.

"Seit seiner Gründung 2003 ist Michael Haller auch Wissenschaftlicher Direktor des "Instituts für Praktische Journalismusforschung" (IPJ), das 2014 als Europäisches Institut für Journalismus- und Kommunikationsforschung" (EIJK) neustrukturiert wurde. Das Institut war auf Anregung der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig vom Lehrstuhl Journalistik der Universität Leipzig als ein Gemeinschaftsprojekt der Universität und der Medienstiftung mit Unterstützung der Sparkassenversicherung Sachsen gegründet worden; seit 2011 ist es unter dem Dach der Medienstiftung eine eigenständige gemeinnützige Forschungsstätte.

Mehr Informationen zum "Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien" und den Preisträgern finden Sie hier.


Preisträger:
2025 - Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien
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